Live-Love-MoveWetter auf orf.at, Wetter am Handy, Wetterlesen im Kaffeesud, Wetterbefragung der verkrüppelten Zehe meine Großmutter väterlicherseits. Zumindest das eine oder andere davon gehörte wahrscheinlich nicht nur für mich in den letzten Tagen vor dem 30.1. zum täglichen, ja fast stündlichen Procedere. 24 Stunden Burgenland Extrem Tour: ich hatte einen der 1.200 heiß begehrten Startplätze ergattert.

Das wird ja was werden um diese Jahreszeit. Alle Prognosen schienen das zu bestätigen. LIVE LOVE MOVE, das war der Leitgedanke für diesen außergewöhnlichen Event.

 Angereist dank Facebook mit Anneliese, die mich - mir nichts, dir nichts - so einfach mitnahm mit ihrem Auto von Wien nach Oggau. Danke nochmals an dieser Stelle. Letztendlich brachte sie mich sogar nach Rust, wo ich direkt am See ein Zimmer gebucht hatte.

Andreas, der Einzige unter meinen Lauffreunden, der sich auch für die Extrem Tour begeistern konnte, gelangte öffentlich nach Rust. Eigentlich unkompliziert, ein Bus fährt direkt vom Wiener Hauptbahnhof nach Rust.

30.1.: Der Renntag!

TeilnehmerEr beginnt früh: 03:00 Uhr. Das Gästehaus bietet sogar ein Frühstück an. Auch nicht unbedingt Standard. Drei Ultraläufer aus Deutschland, zwei von ihnen haben letztes Jahr den Transalpine absolviert, nehmen uns danach dankenswerterweise mit ihrem Auto nach Oggau zum Start mit. Dort steht der Startbereich bereits im Vollbetrieb. Tolle Stimmung. Noch ein paar Fotos.

04:30 Uhr: Es geht los. Die Läufer vorneweg, die breite Masse der Geher hinterher. Wetter noch optimal: trocken, nur leichter Wind, nicht kalt. Sollte das so bleiben, dann war ein Teil des Rucksackinhalts sinnlos.

Hunderte Stirnlampen ergeben ein unglaubliches Bild in der Landschaft. Wahnsinn. Gänsehaut. Ein langgezogener Leuchtwurm schlängelt sich via Rust und Mörbisch in Richtung ungarischer Grenze. Andreas macht zunächst ein paarmal auf Martin W., doch wir bleiben zusammen und genießen es, ein Teil dieser Spirit Tour zu sein. Im gemütlichen Tempo überqueren wir die Grenze, Orientierung leicht, da wir immer andere Läufer vor uns haben. Die Strecke in Ungarn, nun ja, von Landschaft und See weit und breit nichts zu sehen, überwiegend am Straßenrand laufend, begleitet von Hundegekläff. Und das nicht von Schoßhündchen a la Paris Hilton, sondern von Hunden, die sicher nicht nur Pfote geben, wenn der Zaun nicht dazwischen wäre.

Ganz toll die Verpflegung entlang der ungarischen Strecke. Drei Mal gibt es zumindest heißen Tee, jede Menge Bananen und Müsliriegel. Auch damit haben Andreas und ich nicht gerechnet. Wieder ein Teil des Rucksackinhalts umsonst. Wir glaubten, zwischen Oggau und Apetlon wären wir auf Eigenverpflegung angewiesen. Am Start haben wir uns noch gewundert, warum die anderen Läufer nur so kleine Rucksäcke – wenn überhaupt - mitführten, wir aber ausgerüstet waren, als wollten wir in einem Tagesmarsch zum Nordpol.  Vom Gewicht einmal ganz abgesehen.

Gatsch, Copyright Sabrina RouschalNach Hegykö, es ist nun bereits hell, geht es für einige km in die sprichwörtliche Pampa. Zwar ist es von oben nach wie vor trocken, doch das Geläuf wird zunehmend schwerer (Bild links: Copyright Sabrina Rouschal). Der Spaßfaktor macht erstmals Pause. In der Phase, so um km 40, verliere ich auch Andreas, jeder läuft jetzt sein eigenes Tempo. Wenig später beginnt es zu regnen. Es wird ungemütlicher. Kaum an den Regen gewöhnt – und knapp nachdem ich wieder österreichisches Gebiet betrete, werden aus den Regentropfen handtellergroße feuchte Schneeflocken (Dieses Format war mir bis dato noch unbekannt). Innerhalb kürzester Zeit bin ich völlig durchnässt und die Laufstrecke wird zusehends mit feuchtem Schnee bedeckt. Unglaublich was da jetzt abgeht. In null Komma nichts laufe bzw. wate (eher) ich in einer patzigen ständig höher werdenden Schneedecke. Platsch, platsch, platsch, bei jedem Schritt, und PLATSCH, wenn mir ein Auto parallel zur Laufstrecke entgegenkommt. Den Autofahrern ist es egal, mir nicht, PLATSCH – und ich bin wieder von oben bis unten eingedeckt. Selbst mein Gesicht bleibt dabei nicht verschont.

Dann Apleton, erste Verpflegungsstelle auf österreichischem Gebiet. Fast übersehe ich sie, da sie nicht direkt an der Strecke liegt, sondern links in einer Quergasse. Ich beschließe, nicht ins Gasthaus hineinzugehen, trinke stattdessen Tee und ziehe jetzt alles an, was ich noch im Rucksack habe, obwohl auch diese KleiduStrecke 24hburgenlandngsstücke schon zum Teil nass sind. Gefühlte 5 Minuten benötige ich dabei, um die Handschuhe wieder anzubekommen. Kein Gefühl mehr in den Fingern. Erste größere Zweifel, ob ich das durchstehen werde. Weiter.

Nach dem Ort Illmitz beginnt die im wahrsten Sinne des Wortes Hölle. Zweifel wird zunehmend von Verzweiflung abgelöst. Keine Menschenseele. Schnee wohin das Auge reicht, vollkommen durchnässt. In den Goretex-Schuhen steht das Wasser. Ich habe jetzt weder in den Fingern, noch in den Zehen ein Gefühl. Bei einer Vogelbeobachtungsstelle beschließe ich, die Schuhe auszuleeren, da Angst vor Blasen. Nicht klug. Ich bekomme die Schuhe kaum mehr an, das Zubinden eine Herausforderung schlechthin, und – ich kann mir die Handschuhe nicht mehr anziehen. Es bleibt beim „Anstecken“, die Finger der Handschuhe bleiben leer.  Laufen geht aber noch, ich kann es kaum glauben, sogar in einem halbwegs akzeptablen Tempo. Was mir dabei hilft: die Prater Hauptallee. Ich zerlege die Strecke Illmitz nach Podersdorf, 12 km, in Abschnitte der Prater Hauptallee,  damit vertreibe ich mir die Zeit und halte die Verzweiflung hinten an. Sind ja eh nur eineinhalbmal die Allee rauf und runter.   

Und noch ein Glücksfall: Ein Versorgungsauto des Veranstalters steht auf der Strecke.  Es gibt warmen Tee und viele nette Worte. Gemeinsam – zu dritt! - gelingt es uns, mir wieder die Handschuhe anzuziehen. Sinn macht es wenig, da sie komplett nass sind, aber mental ist es sehr wichtig für mich. Weiter.

Irgendwann, so um 12:30 Uhr, Podersdorf. Der Ort ist für mich nicht wiederzuerkennen. Im Sommer ein übervölkerter Hotspot, ist er jetzt menschenleer. Weit und breit niemand zu sehen. Ich habe keine Ahnung, wo das Seecafe Podersdorf ist, die nächste Labestation. Ich bin kurz davor, an einem Haus zu läuten, um danach zu fragen.  Ein zufälliger Blick in eine Quergasse bringt die Erlösung, am anderen Ende kann ich das Cafe erkennen. Nur rein. Mehrere Läufer sind hier schon gestrandet. Ich bibbere am ganzen Körper, habe bis auf ein T-Shirt (!) nichts mehr zum Umziehen und bin ratlos. Was nun? Nach zwei heißen Getränken, beschließe ich, aufzugeben. Es macht keinen Sinn mehr. Schuhe aus, Socken aus, Oberbekleidung aus. T-Shirt an. Das war’s.

Zu fünft, drei Deutsche, ein Tscheche und ich, machen wir uns nach einer Stunde des Wartens via Taxi auf die Rückreise nach Oggau. Der offizielle Schuttle-Dienst ist völlig überfordert durch die Situation in Apetlon, wo mehr als 2/3 der Teilnehmer Plakataufgeben.

 Echt froh, als ich auf meinem Zimmer bin.  Minuten später ist auch Andreas da, „angereist“ via Shuttle aus Apetlon bis Oggau und dann auch Taxi bis Rust.

In kürzester Zeit ist der Fußboden des Zimmers ein einziger See. Egal, 10 Minuten heiße Dusche und dann dick eingepackt ins Bett. 

Resumee: Trotz allem – oder gerade deswegen – super, legendär. Ewig in Erinnerung bleibend. „LiVE LOVE MOVE“! Nächstes Jahr wieder. Ganz bestimmt.

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